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Von Grünfußens

 

Es liegt eine tiefere Wahrheit in vielen der kleinen Redewendungen, welche wir im Alltag oft unbewusst verwenden, ohne den tieferen Sinn der Worte zu verstehen. Einige dieser Redewendungen verraten uns, wenn wir es denn zulassen, dass das Phantastische sich anschickt, in unser Leben zu treten; z.B. „wundert man sich“.

 

Und genau so stand ich eines Morgens vor dem fremden Gartentor und wunderte mich. Der Moment des Sich-Wunderns überkommt den professionellen Phantasten indes nicht unbewusst oder gar unvorbereitet. Kein Zweifel: Hinter diesem Tor gab es eine weitere spannende, phantastische Welt für mich zu entdecken. Und da das Tor nicht verschlossen war, betrachtete ich diese Tatsache als Einladung, den dahinter liegenden Garten wagemutig, wenn auch vorsichtig, zu betreten.

 

Mein Spazierweg hatte mich an diesem Morgen in einen etwas abgelegenen Ortsteil am Rande der Großen Stadt geführt. Mir schien, als wäre ich hier noch nie gewesen. Oder, falls doch, dann in längst vergangenen Zeiten. Und auch das Anwesen, welches hinter dem Tor lag, wirkte wie aus der Zeit gefallen.  

 

 

Ein leicht heruntergekommen wirkendes Herrenhaus lag halb zugewachsen inmitten von nebligem Grün. In seiner verträumten Zerzaustheit war dies ganz offensichtlich Feenland und die scheinbar verwahrlosten Beete und Rabatte waren von kundiger Hand gerade so angelegt worden, um den Eindruck, nicht von dieser Welt zu sein, zu erzielen.

 

Aus der Sicht des Phantastonauten war dies Gartenkunst in Perfektion und so stieg bei mir die Spannung, die - zweifellos nicht-menschlichen - Gärtner kennenzulernen, welche dies vollbracht hatten. Und richtig, nachdem ich den äußeren, offensichtlich dem Sichtschutz dienenden, Gehölzgürtel durchquert hatte, stand ich am Rande einer kleinen Lichtung, vor mir erhob sich ein Schreibtisch, und hinter diesem förmlich thronend, bemerkte ich eine weißbärtige, koboldhafte Gestalt mit hohem Hut.

 

Dass es sich bei diesem Wesen um einen Gelehrten und Chronisten handelte, wurde mir bei genauerer Betrachtung des Schreibtisches schnell klar und nach kurzer Begrüßung kamen wir schnell ins Gespräch. In meiner Eigenschaft als Phantastonaut erkannte er in mir sehr schnell den Forscher und als verwandte Seele verlor er bald jede Scheu und stellte mir bei einer kleinen Führung das Anwesen und seine Bewohner vor.

 

Das Anwesen selbst nannte er, wie ich dabei erfuhr, das Haus derer von Grünfußens. Wobei unklar blieb, ob es einen Hausherrn, wie einen Grafen oder Baron von Grünfuß wirklich gab. Aber was heißt schon wirklich?  Mein Gegenüber wurde von allen nur Professor Dok genannt. Er erforschte die Garten-Natur und auf seinem Schreibtisch türmten sich unzählige uralte Folianten und Fachbücher der Botanik und Pflanzenkunde.

 

Wobei er einen sehr eigenwilligen Umgang mit Literatur pflegte: da sein Schreibtisch ganzjährig im Freien stand, waren die darauf befindlichen Büchern naturgemäß den Unbilden der Witterung ausgesetzt. Aus ihnen sprießten allenthalben Moos und Pflanzen und somit handelte es sich tatsächlich um echte Gartenbücher. Weitere Bücher befanden sich nahebei in einer Schubkarre und im Haus schien es eine mindestens mittelgroße Bibliothek zu geben. Aus deren Beständen er die auf seinem Tisch zu stark verwitterten Exemplare ersetzen konnte.

 

Das Anwesen bestand, neben dem eigentlichen Haus hauptsächlich aus einem Park mit riesigen Ausmaßen. Der Professor schien es als seine Aufgabe anzusehen, diesen zusammen mit einigen weiteren an diesem Ort beheimateten Wesen zu kultivieren und zu pflegen. Wie ich schon vermutet hatte, war der äußere Anschein von Verwilderung nicht auf Vernachlässigung oder Schlampigkeit zurückzuführen, sondern das Ganze war in diesem Stil angelegt worden und wurde mit hohem Aufwand gepflegt.

 

Die Gärtner, die dies als ihre Aufgabe, ja ihr Lebenswerk betrachtete, bestand im Wesentlichen aus sechs Wesen, die ich nur der Einfachheit halber Gärtner nenne. Oder sollte ich sie besser die Grünfußens nennen? Wie auch immer, ich stelle sie nun im Folgenden kurz steckbriefartig vor.

 

Beigefügt sind einige Zeichnungen der Vorgestellten und meine Beobachtungen ihrer Tätigkeiten beim Rundgang über das Anwesen.

 

Ende des ersten Teils, bald geht es weiter ....

 

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